Die wilde Ehe zwischen Pop und Politik scheint sich in den letzten 15 Jahren merklich abgekühlt zu haben. Nichtsdestotrotz ist Pop die relevante künstlerische Äußerungsform im öffentlichen Raum. Worum ging es und geht es den Akteuren? Was kann man aus geschichtlicher, philosophischer oder soziologischer Sicht aus den Äußerungsformen einer Band oder eines Künstlers/einer Künstlerin mitnehmen? Nach einem Einstiegsvortrag durchsetzt mit Soundbeispielen runden hoffentlich lebhafte Diskussionen mit Kaltgetränken die Veranstaltungen ab.
Talk may be cheap – but is necessary to get an idea about the world.
So. 12.11.17
Lecture 29: Einstürzende Neubauten – Hören mit Schmerzen oder Silence is sexy
(Rerentin: Doris Weininger)
Für die Zeit des Kalten Kriegs fanden Geniale Dilettanten/Einstürzende Neubauten mit ihrem Antipop als nervige Geräuschbotschafter den passenden Ton. Enchanté – die Hirnsägen taten weh. Auf den bürgerlichen Dialog mit der Jugend legte das Musiker-Kollektiv nicht unbedingt Wert. Eher war die Musik nach ihrem würdigsten Verehrer, dem österreichischen Dramatiker Werner Schwab mit „Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos“ ausgerichtet. Eine fruchtbare Laison zwischen Mannschaftsatmosphäre mit Stahlklang-Arrangements und dem Kriechen unter dem hohen Hohlraum einer Autobahnbrücke feiert den Untergang. Die Einstürzenden Neubauten setzen mit ihren Dämonen, einer nihilistischen Dekadenz aus dem Berliner „Dschungel“ und „SO 36“ der heraufkeimenden Industrial-Kultur ihren Stempel auf und sagen dem Adenauer-Wohnzimmer ihren großstadtapokalyptischen Kampf an. Von Konservativen meist als zerstörerische Musikzellen kritisiert, weckten sie den Theaterbetrieb mit ihren brachialen Produktionsmittel bis in die DDR auf. Und nach all dem Krach, der nächste Schock – Silence is sexy. Die Meisterschaft der Neubauten den Tinnitus im Ohr zum Kreischen zu bringen.