Wann
Donnerstag - 17.05.2018
20:00 Uhr
Wo
Kafe Marat
Thalkirchnerstraße 102
München
Die linke Kritik an Staat und Nation glaubt oft ohne jene des Geschlechts auszukommen. Das Geschlechterverhältnis spielt keine Rolle für die Kritik am Nationalstaat selbst, sondern wird höchstens in Form eines additiven Absatzes in programmatischen Stellungnahmen aufgerufen, der ebenso gut auch weggelassen werden kann. Auf der Seite der feministischen Theorie verhält es sich nicht viel anders: wo der Staat überhaupt zum Thema wird, sind Weiblichkeit und Nation »Diskurse« oder »Strukturkategorien«, die qua analytischer Trennung nur noch äußerlich aufeinander bezogen werden können. Ihr Verhältnis wird als Kreuzungspunkt zweier Achsen, Kurven oder Wege, intersection, vorgestellt.
Demgegenüber schlage ich vor, die bürgerliche Gesellschaft als widersprüchliches Ganzes zu betrachten. Die Entstehung der Geschlechtscharaktere und jene der Nation gingen Hand in Hand, so viel ist offensichtlich. Bei Rousseau et al sind es die Frauen, in deren Händen »die Liebe zu den Gesetzen im Staate« ruht. Die Gesellschaft der Freien und Gleichen brachte und bringt in ihrem Werdegang ihr Widersprechendes hervor: die Frauen als Differente, die Nationen als bestimmte. Sie sind nicht einmal in die Welt gekommen, sondern müssen sich permanent neu reproduzieren. Ihre Entstehung setzt sich in der Dialektik der Aufklärung fort – Grund genug, den Blick auf die Anfänge bürgerlicher Gesellschaft zu richten. Daran wird sich zeigen, dass die Kritik der Nation feministisch sein sollte und umgekehrt jene von Geschlecht und Liebe nicht ohne Bezugnahme auf den gesellschaftlichen Zusammenhang, der sie hervorbringt, auskommt.
Karina Korecky studierte Soziologie und Politikwissenschaft in Wien und Hamburg und promoviert an der Universität Freiburg zu Psychiatrie & Subjektivität. Sie hält Vorträge und publiziert zu verschiedenen Aspekten feministischer Theorie. U.a. „Ob Natur oder keine. Zu Judith Butler“, in: Outside The Box #5, 2015.
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