Zur Räumung der Isar-Brücken

Wann
Donnerstag - 13.12.2018
20:00 - 23:00

Wo
Kafe Marat
Thalkirchnerstraße 102
München

Details

Vortrag und Diskussion mit der Initiative für Zivilcourage

 

Am Donnerstag, den 28.11 haben mehrere städtische Behörden die Lager wohnungsloser EU-Migrant*innen unter den Isar-Brücken geräumt. Die fadenscheinige Begründung der Behörden war Brandschutz. Tatsächlich wurde in der vergangenen Woche ein Lager unter der Reichenbachbrücke durch ein Feuer zerstört. Wie jedoch schon bei einem weiteren Brand im Sommer, ist die Brandursache ungeklärt, was die Polizei – ganz in Tradition des NSU-Komplexes – jedoch nicht davon abhält, die Betroffenen selbst ohne nähere Begründung aus rassistisch-antiziganistischer Motivation zu verdächtigen. Besonders lächerlich macht sich diese Begründung allerdings dadurch, dass die ersten Hinweis-Schilder der Stadt auf die Räumung bereits vor dem Brand letzte Woche an der Brücke aufgehängt wurden.
Anstelle solcher alberner, vorgeschobener Begründungen besteht das Interesse der Stadt an der Räumung der Brücken vielmehr in einer Kombination rassistisch-antiziganistischer Ausgrenzungspolitik, einer autoritär-repressiven Verdrängung derjenigen, welche in das Bild der Hochglanzmetropole München nicht passen und gleichzeitigen Verweigerung einer sozialen und menschenwürdigen Lösung der Arbeits- und Wohnungsproblematik für die Betroffenen.
Viele der Menschen, welche unter den Isar-Brücken leben, kamen im Rahmen der EU-Freizügigkeitsregelung aus osteuropäischen Staaten nach München; die meisten befinden sich nicht in legalen Beschäftigungsverhältnisses und haben daher weder gesetzlichen Arbeitsschutz noch Anspruch auf Soziallleistung oder sind ohne regelmäßige Arbeit. Zugleich sind sie, wie viele andere in prekärer rechtlicher Situationen Lebende, Teil der ‚industrielle Reservearmee‘, welche oftmals für undokumentierte oder extrem schlecht bezahlte Arbeit herangezogen wird. Manche sind nicht in München gemeldet, sodass ihnen das Wohnungsreferat der Stadt keine solche zu Verfügung stellt. Häufig sind sie auch betroffen von Repression und Kontrollen durch die Polizei und die kommunale Sicherheitswacht. Einerseits sind sie für die anderen Bewohner Münchens weitgehend unsichtbar, andererseits sind sie beteiligt an der (Re)Produktion des Reichtums dieser Stadt, von welchem sie jedoch durch die repressive Politik der Stadt ausgeschlossen werden. Diese Politik trifft nicht allein die (ehemaligen) Bewohner der Isar-Brücken, sondern auch viele anderen Menschen aus osteuropäischen Staaten. Auch wenn sie als neue EU-Bürger*innen Freizügigkeit genießen, arbeiten sie aufgrund von Diskriminierungen am Arbeitsmarkt oft unter schlechten Bedingungen und müssen oft kämpfen und streiken, um ihre Arbeitsrechte und Lohnforderungen durchzusetzen, auch ihr Anspruch auf Sozialleistungen wird systematisch untergraben.
Der disziplinierende und zugleich unsoziale Charakter der städtischen Politik zeigt sich auch darin, welche Alternative zu den Brücken die Stadt München den Wohnungslosen bietet. Als Ausweichquartier stellt die Stadt für die Betroffenen Räume in der Bayernkaserne zur Verfügung. Viele derjenigen, die jetzt unter der Brücke wohnen, wollen jedoch nicht in diesen untergebracht werden. In der Bayernkaserne haben sie weder Privatsphäre, noch gibt es die Möglichkeit persönliche Gegenstände dort aufzubewahren. Des Weiteren können die Bewohner nicht selbst entscheiden, mit wem sie sich die Zimmer teilen wollen, sodass es oft zwischen den Bewohner*innen zu Konflikten kommt. Außerdem müssen sie die Zimmer um 7 Uhr morgens räumen, was angesichts der prekären und unsicheren Beschäftigungsverhältnisse vieler Betroffenen für diese ein großes Problem darstellt. Zuletzt ist die Umgebung der Bayernkaserne oftmals ein Ziel von racial profiling durch die Polizei, was insbesondere für einige, welche offene Haftbefehle wegen Schwarzfahrens und anderer Lappalien haben, ein sehr ernstes Problem darstellt. Daher lehnen es viele derjenigen, welche bis jetzt an der Isar gelebt haben, ab, in der Bayernkaserne untergebracht zu werden. Stattdessen fordern sie eine menschenwürdige Unterkunft durch die Stadt und ein Ende der rassistischen Praxis von Behörden und Polizei gegen sie. Doch auch nach der Räumung geht die Stadt auf keine einzige der Forderungen ein! Bei der Unterbringung der Menschen in der Bayernkaserne geht es der Stadt weniger um eine Bekämpfung der Wohnungslosigkeit als um die Kontrolle über die Menschen bei gleichzeitigem Ausschluss vom Reichtum der Stadt!

Am Donnerstag, den 13.12 haben wir deshalb die Initiative für Zivilcourage eingeladen, die über die Räumung der Isar-Brücken, über die allgemeine Situation von Wohnungslosen und prekarisierten Menschen aus osteuropäischen Ländern, sowie über ihre Arbeit sprechen werden.

Unter dem Namen Initiative für Zivilcourage trifft sich seit 2009 regelmäßig ein Kreis von Unterstützer*innen. Von Beginn an arbeitete sie eng mit den prekarisierten Münchner*innen aus neuen EU-Ländern im Bahnhofsviertel zusammen, um gemeinsam Wege zur Verbesserung ihrer Lebenssituation und des Zusammenlebens in der Stadtgesellschaft zu beschreiten. Insbesondere betreibt sie ein temporären workers’ center im Bahnhofsviertel, das derzeit einmal die Woche geöffnet ist, wo versucht wird gemeinsam, für eine Verbesserung der Lebenssituation zu kämpfen. Die Initiative für Zivilcourage ist eine unabhängige, nichtstaatliche Initiative und packt mit an, um das Leben für alle Menschen selbstbestimmt, lebenswert und frei von Ausgrenzung und Ausbeutung zu gestalten.


http://inizivi.antira.info/initiative-fur-zivilcourage/

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