Kein Retter in der Krise? Der Staat des Kapitals und die Kritik der Politik

Wann
Donnerstag - 21.04.2016
19:30 - 22:30

Wo
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Dachauerstr. 114
München/Deutschland

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Moritz Zeiler skizziert zentrale Fragen und Begriffe der marxistischen Diskussion um die Form des Staates. Können die Überlegungen der Formanalyse zu einem besseren Verständnis aktueller Veränderungen von Staatlichkeit, Krisen von Ökonomie und Politik sowie linker Intervention beitragen?

Karl Marx plante im Rahmen seiner Kritik der politischen Ökonomie auch einen Band über den Staat. Bekanntlich konnte er dieses Vorhaben aber nicht mehr realisieren. Sein fehlendes Buch zum Staat beschäftigt seitdem die marxistische Linke, die in sehr unterschiedlicher Weise an die im Marxschen Werk verstreuten Fragmente über Staat und Politik anknüpfte. Eugen Paschukanis versuchte in den 1920ern in Allgemeine Rechtslehre und Marxismus als erster, basierend auf einer erneuten Lektüre des Kapital, einen Zusammenhang zwischen Warenform, Rechtsform und Staatsform zu formulieren. Nachdem Stalinismus und Nationalsozialismus diese Debatten brutal beendeten, wurden sie erst wieder Ende der 1960er, Anfang der 1970er von der Neuen Linken aufgegriffen. Johannes Agnoli bemühte sich in seinen Schriften, die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie um eine Kritik der Politik zu ergänzen. Seine Kritik des Parlamentarismus in Die Transformation der Demokratie war nicht ohne Einfluss auf die theoretisch interessierten Strömungen der damaligen außerparlamentarischen Linken. Ein weiterer Versuch, an die Überlegungen von Paschukanis anzuknüpfen, war die Staatsableitungsdebatte. Trotz all ihrer Unterschiede einte die verschiedenen Debattenbeiträge eine Kritik der „Sozialstaatsillusion“ und die Frage nach den Grenzen politischer Regulation der Ökonomie. Zu den Beteiligten zählten unter anderem Joachim Hirsch, der später mit seinem Begriff des nationalen Wettbewerbsstaats versuchte, Veränderungen von Staatlichkeit im Kontext der Globalisierung zu analysieren. John Holloway veröffentlichte englische Übersetzungen zentraler Debattentexte und entwickelte eine sehr spezielle Interpretation der Formanalyse des Staates. Seine Kritik der Politik ist zugleich ein Plädoyer für Selbstorganisation, inklusive Tendenzen zur Bewegungs- und Revolutionsromantik.
Im Vortrag werden zentrale Fragen und Begriffe der marxistischen Diskussion um die Form des Staates skizziert. Anschließend soll diskutiert werden, ob die Überlegungen der Formanalyse zu einem besseren Verständnis aktueller Veränderungen von Staatlichkeit, Krisen von Ökonomie und Politik sowie linker Intervention beitragen können.

Moritz Zeiler hat Geschichte und Politikwissenschaften studiert. Er ist Mitherausgeber von Staatsfragen. Einführungen in die materialistische Staatskritik, Berlin 2009. Demnächst erscheint in der Reihe theorie.org: Materialistische Staatskritik. Eine Einführung.

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